Die Philharmoniker mit Sergiu Celibidache
Eine Sensation: das siebte Abonnementkonzert
München, Freitag, 16. Februar 1979
Seit Rudolf Kempes Tod hatten wir mit: den Münchner Philharmonikern
unsere liebe Not, gab's mehr Tiefs als Hochs. Jetzt kam Sergiu
Celibidache für das siebte Abonnement- und ein Sonderkonzert
(Herkulessaal) zu einem Gastspiel und vollbrachte ein wahres Wunder:
in neun vierstündigen Probensitzungen machte er aus den
Philharmonikern ein Orchester allerersten Ranges, sehr wohl
vergleichbar den besten Orchestern der Welt.
Bei den Proben zu Mozarts „Zauberflöte"-Ouvertüre, „Tod und
Verklärung" von Richard Strauss, Bartoks Konzert für Orchester
spielte Drill offenbar keine Rolle. Denn mit bloßem Drill kann nur
bloße Perfektion erreicht; werden, aber nicht musikalische Einsicht.
Eben die hat Celibidache den Philharmonikern vermittelt.
Aus Celibidaches künstlerischer Überzeugungskraft also kam jener
fantastische Elan, jene Hochstimmung, mit denen die Philharmoniker
am Werk waren. Vollendete Partnerschaft fand statt: alle waren eines
Willens, allen ging es um das. große Gelingen. Und so kamen
Herrlichkeiten zustande.
Das Dirigier-Genie ,Celibidache, ein in musikalischen Dingen
Allwissender, bot einen neuen Aspekt der „Zauberflöte" - Ouvertüre.
Es war, als stehe der weise Sarastro am Pult: ein Schleier der
Verhaltenheit lag über dem Werk, Rätselhaftes kam auf, eine fast
nicht mehr diesseitige Entrücktheit. Bei einer Aufführung der Oper
wäre diese Version wohl unmöglich,
denn in solcher Geisteswelt können Papageno und Papagena doch nicht
auftreten. Losgelöst von der Oper aber konnte Celibidache die
Ouvertüre zu einem großen Mozart-Geheimnis machen.
Dann Straussens Tondichtung „Tod und Verklärung". Wer hält sie nicht
für eine aufgedonnerte Schnulze? Celibidache und die Philharmoniker
erledigten die Frage, indem sie in fabelhafter dynamischer Abstufung
artikulierten, herrlich gespannten, gleißenden Klang entfalteten und
zeigten, wie glänzend Strauss instrumentierte und modulierte. An
Durchsichtigkeit, im Raffinement der Steigerungen war die Wiedergabe
nicht zu überbieten.
Ganz großer Auftritt der Philharmoniker dann in Bartoks Konzert für
Orchester. Das Werk verlangt allen Musikern ja Höchstes an.
Virtuosität ab, und da hielt jeder Solist, jede Gruppe fraglos
stand. Celibidache erzielte - wie auch bei Strauss - ein Äußerstes
an Klang-Charakteristik, realisierte geistvoll den Ernst und den
Witz der Sache.
Etwa zehn Minuten dauernten Ovationen nach dem ersten, turbulenter
Beifall nach dem zweiten Teil des Konzerts. Die Philharmoniker haben
solche Stürme der Begeisterung wohl noch nie erlebt. - Sie verdanken
sie ihrem außerordentlichen Können, das von Celibidache entfaltet
wurde. Er muss wieder kommen, darf das Orchester nicht im Stich
lassen. Die künstlerische Pflicht verlangt es.
Hans Göhl