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FonoForum



Celibidaches Bruckner

 

Dazu schreibt Peter T. Köster schreibt in der Zeitschrift "FonoForum:
 

Bruckners monumentale fünfte Sinfo nie dirigierte Celibidache 1985 in München zur Einweihung der neuen Philharmonie am Gasteig - in einem denkwürdigen Konzertprogramm, das außerdem die „Musikalischen Exequien" von Heinrich Schütz enthielt und fast drei Stunden dauerte. Im gleichen Jahr fand ebenfalls im Gasteig die Aufzeichnung für das ZDF statt, die jetzt erstmals auf DVD vorliegt. Wie Celibidache die gewaltige Form als Einheit erstehen lässt, ist wohl ohne Beispiel. Die Logik der Temporelationen, das beziehungsvolle Ausspielen der extremen Kontraste, das konsequente Herausarbeiten der strukturell wesentlichen Elemente - all das macht den überragenden Rang dieser Aufführung aus. Dabei ist es gegenüber den reinen Audio-Dokumenten durchaus von Gewinn, Celibidache bei der Realisation der Partitur zu beobachten, drückt sich doch jede kleinste Inflexion der Phrasierung ebenso wie die große Perspektive in seiner Gestik und Mimik aus.

Das gilt ebenso für die Aufnahme der vierten Sinfonie, der „Romantischen", die zwei Jahre früher noch im Herkulessaal der Münchner Residenz entstand. Die Münchner Philharmoniker erweisen sich hier als das unübertreffliche Bruckner-Orchester, das sich nicht in kühler Oberflächenbrillanz ergeht, sondern die weit gespannten melodischen Bögen mit Substanz und Wärme füllt, das nie in ehrgeizige Einzelleistungen zerfällt, sondern jedem Detail seinen Stellenwert im Gesamtgefüge verleiht und schließlich die grandiose Schlusssteigerung zu überwältigender Wirkung führt. Ein bei den Proben geführtes Interview auf Französisch (mit deutschen Untertiteln) ergänzt die Konzertaufzeichnung.

1992 kam es in Berlin zu einem Ereignis, von dem viele Musikfreunde jahrzehntelang geträumt hatten, das jedoch kaum einer mehr für möglich gehalten hätte: Auf Einladung des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker kehrte Celibidache nach fast 40 Jahren für zwei Benefizkonzerte ans Pult der Berliner Philharmoniker zurück, die er nach dem Krieg mit beispiellosem Einsatz aus dem Nichts wieder aufgebaut und als Chefdirigent bis zur Rückkehr Furtwänglers geleitet, 1954 aber nach der Wahl Karajans zum Chefdirigenten im Groll verlassen hatte. Auf dem Programm stand Bruckners Siebte - die erste Bruckner-Sinfonie, die der junge Celibidache 1946 in Berlin dirigiert hatte. Das Orchester räumte Celibidache sechs Proben ein - für seine Verhältnisse ungewöhnlich viel, für Celibidache, zumal mit einem fremden Orchester, eher wenig. Niemand konnte erwarten, dass die Berliner in so kurzer Zeit den gleichen Grad der Differenzierung, der Sensibilität und des Aufeinanderhörens erreichen würden, zu dem Celibidache die Münchner in jahrelanger Arbeit geführt hatte. Trotzdem gelang es dem Maestro, seine Intentionen weitgehend auf das Orchester zu übertragen, das die „bekannte" Sinfonie auf völlig neue Weise kennen lernte. Celibidaches magische Ausstrahlung und die immense Konzentration und Hingabe der Musiker verliehen der Aufführung im Berliner Schauspielhaus eine ungeheure Spannung, die sich auch aus der Aufzeichnung uneingeschränkt mitteilt. Aus dem außergewöhnlichen kulturpolitischen Ereignis wurde ein überwältigendes künstlerisches Erlebnis.

Für Celibidache bedeutete die Rückkehr an das Pult der Berliner Philharmoniker einen der größten Triumphe seines Lebens. „The Triumphant Return" ist auch die fast einstündige Dokumentation von Wolfgang Becker betitelt, die der Konzertaufzeichnung als Bonus beigegeben ist. Sie verbindet faszinierendes Filmmaterial von den Proben zur Bruckner-Sinfonie und Interviews mit ehemaligen Orchestermitgliedern mit historischen Wochenschau-Ausschnitten und Aufnahmen aus der Nachkriegszeit, die den dämonischen jungen Celibidache mit Beethovens „Egmont"-Ouvertüre in den Ruinen der zerstörten Philharmonie oder als Begleiter Yehudi Menuhins bei dessen erstem Berliner Nachkriegskonzert zeigen. Der Film vermittelt einen komprimierten Eindruck von Celibidaches Anschauung und Arbeitsweise und liefert gleichzeitig den nötigen Hintergrund, um die singuläre Bedeutung des hier festgehaltenen Ereignisses zu ermessen.