Bruckner in St. Florian
Kraft und Klang
Auszug aus einem
Artikel zum Konzert der Münchner Philharmoniker
in Stift von St. Florian bei Linz
von Jürgen Hiller
in der Pforzheimer Zeitung vom 02. 10. 1990.
Höhepunkt
der diesjährigen Bruckner Festspiele in Linz sollten
die beiden Konzerte der Münchner Philharmoniker
unter der Leitung von Sergiu Celibidache werden.
Einmal erwies man mit der Aufführung seiner F-Moll
- Messe durch den derzeit wohl bedeutendsten Interpreten
des Komponisten im Stift zu St. Florian dem großen
Romantiker Anton Bruckner eine besondere Ehre, denn
er fand dort seine letzte Ruhestätte und verwirklichte
als Organist den größten Teil seines musikalischen
Schaffens. Zum anderen war Bruckners große Messe
die letzte Arbeit, die der vor kurzem gestorbene
Leiter des philharmonischen Chores, Josef Schmidhuber,
mit seinem Klangkörper realisierte. Ihm, war die
Aufführung der Messe gewidmet, und der Chor war
es, der mit seiner reinen, Intonation und den feinabgestuften
dynamischen Nuancierungen als herrliches Instrument
den instrumentalen Klangkörper organisch erweiterte.
Doch
zu welcher Kraft- und, Klangentfesselung der mit
geradezu unerschöpflicher Energie geladene 78jährige
Rumäne seinen Chor und das
Das
mächtig ausladende Credo bildet zweifellos den Mittel-
und Höhepunkt des Werkes. Doch war es das weit schlichtere
Benedictus, das in Celibidaches Interpretation überraschte.
Er gab sämtlichen Abschnitten der Messe eine gewisse
Weihe. Selbst das Gloria wurde nicht geschmettert,
sondern blieb im Bereich des Geheimnisvollen. Erst
im „Et resurrexit ... " holte der Maestro zu
großen Steigerungen aus, was Bruckners sinfonischer
Großform - Idee ohne besondere Effekte sehr nahe
kam.
Das
Solistenquartett fügte sich, homogen in das Werk
ein: Margaret Price überraschte mit ihrem glockenreinen
Sopran, dem gegenüber setzte Doris Soffel glanzvolle
Akzente in der Altpartie. Peter Strakas fast knabenhafter
Tenor wurde von dem sonoren Bass von Hans Sontin
unterstützt.
Celibidache und die Münchner Philharmoniker in St. Florian
Bruckners 7. Sinfonie am Grabe Bruckners
Eine besondere Ehre erwies man dem großen
Romantiker Anton Bruckner anlässlich der Bruckner Festspiele in
Linz. In der Stiftskirche zu St. Florian, dem Ort, wo Bruckner die
längste Zeit seines Lebens Stiftsorganist war, wo der größte Teil
seines Schaffens verwirklicht wurde und er auch begraben ist,
spielten die Münchner Philharmoniker unter Sergiu Celibidache, dem
derzeit wohl bedeutendsten Bruckner Dirigenten, Anton Bruckners
siebte Sinfonie.
Obwohl es in Kirchenräumen wegen der dort herrschenden langen
Nachhallzeiten ungemein schwierig ist, große Orchesterwerke
aufzuführen, so war es einzigartig, wie Sergiu Celibidache mit
seinen Tempi und der orchestralen Organisation ein Klangbild schuf,
dass den Vorstellungen Bruckners mehr als realistisch nahe kam. Die
Problemstellung seiner siebten Sinfonie lag, wie auch bei seinen
anderen Werken, zwischen den Polen Naturgefühl und großer
Religiosität und man empfand in dieser Umgebung seine begnadeten
melodischen Eingebungen noch farbiger und kühner.
Doch zu welcher Kraft- und Klangentfesselung der mit geradezu
unerschöpflicher Energie geladene 77jährige Rumäne sein Orchester
anspornte, war eine der schönsten Ehrungen, die man dem großen
Sinfoniker Bruckner an seinem Grabe erweisen konnte. Es war eine
sehr nahe bei Wagner liegende Interpretation. Vom wispernden
Pianissimo des Allegro moderato, über dem das Solohorn, gestützt auf
die krafvoll sonoren Celli, die die erste thematische Linie dieser
gewaltigen Kathedral-Architektur zieht, bis hin zu dem mit furioser
Vitalität vorbeijagenden Scherzo und dem gewaltigen Finale stand man
im Bann atemberaubenden Musizierens.
Jürgen Hiller Pforzheimer Zeitung Oktober 1989