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Interview

 

 


FAZ Interview mit Peter Jan Marthe
Interview von Kirsten Liese


Arte TV Interview mit Peter Jan Marthe
Von Teresa Pieschacon Raphael


Arte TV
Peter Jan Marthe (Jahrgang 1949) war zu Beginn der Achtziger Jahre Schüler von Celibidache und ist heute Chefdirigent des European Philharmonie Orchestra und Organisator von zahlreichen Klassik Großveranstaltungen. (Klangdom Leutasch, Liebherr- Werk Bischofshofen...)

Können Sie Ihre erste Begegnung mit Herrn Celibidache beschreiben?
PJM: Ich begegnete Celibidache das erste Mal in München im Mai 1980, als er mit den Münchner Philharmonikern einen Meisterkurs für Dirigenten abhielt. Eine für mich wahrhaftig umwerfende Begegnung. Ich war fasziniert von seiner außerordentlichen Ausstrahlung. Da stand endlich einer vor mir, der um das Geheimnis der Musik wusste. Andere redeten zwar davon, er aber verkörperte es.

Könnten Sie anhand einiger Beispiele beschreiben, wie die Arbeit im Konkreten mit ihm vonstatten ging?
PJM: Das, was bis heute in mir unauslöschlich eingegraben ist: von der ersten Minute war er bemüht, uns die BASIS des Dirigierens zu vermitteln - etwas, das ich zuvor von niemand anderem vermittelt bekam. Es gibt für mich nur drei Beispiele einer konkurrenzlosen „Kunst des Dirigierens": Karajan, Carlos Kleiber und eben - Celibidache. Alle anderen vermögen sich zwar irgendwie dem Orchester mitzuteilen und gewisse Ergebnisse zu erzielen, aber die meisten Dirigenten stolpern über ihren Körper. Celi hat uns dagegen eine „Kunst des Dirigierens" vermittelt, die darauf abzielt, dass wir völlig frei sind und unser Körper nicht nur nicht ein Hindernis ist, sondern vielmehr der ausschließliche Vermittler des musikalischen Impulses an das Orchester.

Hier trifft sich Celi mit einem der größten Dirigenten überhaupt: Richard Wagner. Wagner postulierte schon im 19. Jhdt., dass es nicht Aufgabe des Dirigenten sei, Takt zu schlagen, damit die Musiker exakt spielen könnten, sondern dass der Dirigent die Aufgabe hätte, durch seine Körpersprache sowohl den Musikern, als auch dem Publikum die tiefere Bedeutung der Musik zu erschließen - eine phänomenale Einsicht eines einzigartigen Genies im 19. Jhdt., die bis heute mehr oder weniger ohne Folgen geblieben ist - bis eben auf Celibidache und - was er gar nicht gerne hörte: auf Karajan! Wenn ich heute nach so vielen Jahren auf eine Dirigiertechnik bauen kann, die es mir erlaubt, auch schwierigste Werke ohne jeglichen Stress - ganz im Gegenteil, mit viel Spaß - zu realisieren - dann verdanke ich dies dem Celi!

 

Wie hat Celibidache seine musikalische Klangvorstellungen vermittelt?
PJM: Er hat uns Augen und Ohren dafür geöffnet, dass alles miteinander in Beziehung steht. Der Anfang mit dem Ende, das Oben mit dem Unten, die dritte Flöte mit der Bratsche. Er hat uns dafür die Augen geöffnet, dass das Studium der Partitur einer „Jupiter-Symphonie" von Mozart genauso faszinierend ist, wie das vom Staunen geleitete Eindringen in die Gesetzmäßigkeiten der Planetenbahnen oder der ungeheuren Komplexität des Zusammenspiels der biologischen Regelkreise in unserem Körper.

Inwiefern hat er Ihre Klangwelt geprägt?
PJM: Damit ist doch schon mehr als genug gesagt! Nach den Unterweisungen bei Celi hat sich für mich alles geändert. Ich habe das Leben ebenso wie das Abenteuer der Musik mit völlig anderen Augen gesehen. Ich habe aufgehört, eine Partitur wie bisher nur unter musikspezifischen Aspekten zu sehen. Heute sehe ich die Musik generell (nicht nur die Klassik, sondern auch Pop, Jazz, Rock, HipHop, die echte Volksmusik, die Musik aller Völker) als eine Manifestation dessen, was die einen mit „Gott" umschreiben, die anderen völlig anders. Eine Einsicht, zu der ich ohne Celi nicht vorgestoßen wäre.

Wie schwer ist es Ihnen persönlich gefallen, sich neben einer solch starken Persönlichkeit, wie Celibidache sie hatte, zu behaupten und entwickeln?
PJM: Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Selbstverständlich hatte ich von Anfang an ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Celi. Er war einerseits mein ganz großer Lehrmeister und hatte sich damals intensiv mit mir beschäftigt. Zugleich empfand ich ihn aber auch von allem Anfang an gefährlicher als den Todesbiss einer Königskobra! Er konnte einen versengen wie die Kerzenflamme den Schmetterling, der sich hypnotisiert der Flamme nähert und die Gefahr nicht bemerkt. Ich habe das damals nur allzu oft beobachtet in seiner Umgebung. Und das war sehr heilsam für mich, so dass ich wirklich meinen eigenen Weg gehen konnte und trotzdem heute auf das geistige Erbe Celis aufbauen kann. Umso mehr bewunderte ich seine - seinen anderen Schülern gegenüber selten gezeigte - Größe, indem er mir 1981 zuredete: „Dein Weg verläuft woanders. Was Du suchst, wirst Du hier nicht finden. Geh nach Indien. Du musst nach einem Fundament graben, das tiefer liegt".

Ich habe dann noch fast sechs Jahre gebraucht, um diesen Schritt zu tun und alles auf eine Karte zu setzen. Am 3. März 1987 hob dann der Flieger nach Indien ab. Er hatte recht, als ich zwei Jahre später zurück nach Europa kam, war ich nicht mehr derselbe, nicht mehr als Mensch - und schon gar nicht als Musiker oder als Dirigent. Ausgerechnet in Indien (!!!) hatte ich meine Berufung zum Bruckner-Dirigenten empfangen - ist das nicht zum Lachen?

Erinnern Sie sich an ein besonders markantes Erlebnis mit ihm?
PJM: Eines Tages fragte er mich aus heiterem Himmel ziemlich brüsk: warum liebst Du Mozart? (ich hatte ihm einige Tage zuvor von meiner seit dem 14. Lebensjahr bis heute andauernden, glühenden Liebe zu Mozart erzählt). In diesem Moment überrumpelt - wie dies geradezu zu Celis Grundstrategie zählte - war ich jedoch zu nichts anderem fähig, als zu antworten: weil er so schön ist. Celi sah mich mit einem Blick an, den ich nie mehr vergessen werde und sagte: du tust mir leid, du tust mir unendlich leid. Diese Worte und nichts anderes waren es, die bei mir eine fundamentale Neubesinnung auslösten, die mich eben auch nach Indien führten: danach zu suchen, was das wirkliche Geheimnis der Musik ist. Etwas, von dem die traditionelle Klassikbranche meilenweit entfernt ist.

„ Ich habe", sagte Celibidache, „ unter den 6000 Schülern nicht einen Schüler gehabt, der die Geduld, die Bescheidenheit und den Fanatismus hatte, wirklich durchzuschauen, was das alles ist." Was sagen Sie dazu?
PJM: Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Celi hatte unendlich viel Licht und ebenso unendlich viel Schatten. Der Schatten war der Umgang mit seinen Schülern. Die Zahl „6000" ist natürlich geradezu lächerlich. Er hatte in Mainz seine Vorlesungen für „alle". Das waren dann im Laufe der Jahre nicht 6000, sondern sicher bei 20.000! Daneben hat er immer wieder spezifisch mit Dirigenten gearbeitet. Das waren aber sicher nicht „6000"! Nur, er hat sich nie zu seinen Schülern bekannt. Schauen Sie sich dagegen Karajan an, der sich wirklich intensiv und in gleicherweise hingebungsvoll um den Dirigenten-Nachwuchs gekümmert hat. Celi war eben in diesem Punkt äußerst ambivalent. Er hat zwar sein ungeheures Wissen weitergeben, aber an welche Leute? Starke Persönlichkeiten unter seinen Schülern konnte er nicht ertragen, da ist er richtig aggressiv geworden. Leute, die er als seinen „engeren Kreis" um sich gescharrt hatte, waren alles - nur keine potentiellen Dirigenten von Format.

Wenn ich heute das, was das wirkliche Erbe Celis ist, unbefangen in meiner Mission für Bruckner weitergeben kann, dann nur deshalb, weil ich früh genug zum ihm auf Distanz gegangen bin - aber andererseits lange genug in seiner Nähe geblieben bin, bis ich das, was das Wesentliche war, vollkommen in mich aufgesogen hatte. Danach habe ich mich vertschüsst - und heute sagen alle nach meinen Bruckner-Aufführungen: hier lebt der Celi weiter.

Wenn Sie Herrn Celibidache in einem Wort beschreiben müssten, welches wäre dies?
PJM: Shiva - der tanzende Feuergott, der tanzend das Universum erschafft und tanzend ebenso wieder zerstört. Celi war eben sehr ambivalent, was von den Celianern leider oftmals nur zu gerne unter den Teppich gekehrt wird.

Teresa Pieschacon Raphael (Innsbruck, den 29. Juli 2006)
Veröffentlicht bei Arte TV

 


FAZ Interview mit Peter Jan Marthe
Interview von Kirsten Liese

Unter Bruckner
Der Komponist Peter Jan Marthé über seine Vollendung der Neunten Sinfonie, Indien und Sergiu Celibidache

Das  Stiftskloster St. Florian in Linz ist für den Komponisten Peter Jan Marthé ein magischer Ort. Dort fühlt sich der Celibidache-Schüler dem Spätromantiker An ton Bruckner, der hier von 1845 bis 1855 als Organist wirkte und begraben ist, am nächsten. Schon seit Kindheitstagen liebt und verehrt er Bruckner. Und seit ein paar Jahren tut der quirlige, von Statur her etwas kleinere, in der Steiermark geborene Mann mit Nickelbrille et was, was auf dem Klassikmarkt in Zeiten der Originalklangbewegung eher ungewöhnlich und verpönt ist: Er setzt die unterschiedlichen Fassungen von Bruckners Sinfonien neu zusammen, vollendet gar die unvollendete, „dem lieben Gott" gewidmete Neunte. Mehr noch: Marthé behauptet, die Eingebung vom Komponisten höchst selbst dabei empfangen zu haben. Das bringt Brucknerianer und Musikwissenschaft geradezu auf die Palme. Für sie ist Marthé, der sich zu seiner Spiritualität bekennt, ein Spinner und „Bruckner-Schänder". Andere halten ihn allerdings für ein Genie. Zur Erstaufführung gelangten die Neufassungen natürlich in St. Florian mit dem European Philharmonie Orchestra. Mit seinen beiden beim Label Preiser Records erschienenen ersten CDs, auf denen er seine Elaborate nun vorlegt, will Marthé endlich auch über Österreichs Grenzen hinaus bekannt werden.

Sie wollen Bruckner in noch größerem Licht erstrahlen lassen, spalten aber die Musikwelt. Wie erklären Sie sich das?

Das sind verständliche Reaktionen. Versetzen Sie sich bitte ins Jahr 1877 zurück. Die bürgerliche Gesellschaft liebte Brahms, Schumann, Beethoven,  und plötzlich bricht da ein Meteor wie Bruckners Dritte herein. Es hat viele Jahrzehnte gedauert, bis die Menschen überhaupt imstande waren, sich einer solchen Dimension zu nähern, und dann komme ich und sage: „Tut mir leid, es fehlt noch eine wichtige Dimension."

Noch kühner war Ihre Vollendung der Neunten. Wie kam es dazu?

Der legendäre Organist des Bruckner-Stifts St. Florian, Augustinus Franz Kropfreiter, machte mich vor elf Jahren mit Bruckners hinterlassenen Fragmenten vertraut. Damals war die Forschung noch nicht soweit, es standen noch nicht alle Fragmente zur Verfügung, aber eines war klar: daß die losen Skizzenblätter das erschütternde Zeugnis eines schwerstkranken, geistig umnachteten Mannes sind - kaum entzifferbare Hieroglyphen. Deshalb war mein erster spontaner Gedanke: Finger weg!

Doch dann . . .

. .. hörte ich Bruckners innere Stimme, zuerst nur vage, dann aber immer bestimmter, bis sie einem Befehl gleichkam: „Trau di nur! Sperr deine  Ohrwaschl auf und schreib oanfoch nieda, wia's in dir drinnen is. 's  Gwantl  dazua host jo dann eh von mir!" Also habe ich mit den Finale-Fragmenten erneut gehadert: Gelingt es mir, auch nur einen Spalt in diese undurchdringlichen Hieroglyphen zu schlagen, mache ich es. Dann offenbarte sich nur im Bruchteil einer Sekunde plötzlich nicht nur das gesamte Finale in seiner ungeheuren Tragweite, sondern ich habe gleichzeitig auch die ganze Sinfonie in einem völlig neuen Licht gesehen.

Was halten Sie von der wissenschaftlichen Ausgabe des fragmentarischen Finalsatzes, bot sie Ihnen eine Orientierungshilfe?

Das hat doch bitte mit dem wirklichen Bruckner rein gar nichts zu tun. Sie müssen im Original sehen, wie Bruckner gekritzelt hat, Striche hinschmiert,    durchstreicht, skizziert, was kaum entzifferbar ist. Die Partitur von etwa 500 Takten, die der Musikwissenschaftler John Phillips erstellt hat, der Jahrzehnte damit verbrachte, die Zettel zu sortieren, ist sicher als bemerkenswerte Leistung zu honorieren. Aber trotzdem ist dies sicher nicht das große Finale, mit dem Bruckner sein symphonisches Riesenwerk zu beschließen gedachte. Irgendein Hornakkord, ein paar Takte für Streicher, wo die Bläser fehlen, dann leere Seiten - dies als das Bruckners Ansprüchen gerecht werdende Finale zu bezeichnen, ist doch blanker Unsinn.

Das sieht Nikolaus Harnoncourt anders. Er hat mit den Wiener Philharmonikern diesen fragmentarischen Finalsatz eingespielt.

Das ist meines Erachtens das beste Beispiel dafür, auf welchem Tief stand heute die klassische Musik und die Musikwissenschaft stehen, daß sie auf die wirklich wesentlichen Fragen gar nicht eingehen, nämlich wo liegt der Sinn einer solchen „wissenschaftlichen Rekonstruktion". Musikwissenschaftler mahnten mich vorab wiederholt, ich solle auf „musikwissenschaftlichem Boden" bleiben. Da kann ich nur wiehern wie ein Pferd.

Warum?

Weil mir klar geworden ist, daß es einen tieferen Sinn hat, daß Bruckner seine Sinfonie nicht mehr voll enden konnte: Der schöpferische Geist dieses Universums weht, wann und wo er will. Die Neunte ist keine Mumie, die nicht berührt werden darf, von dieser Vorstellung müssen wir uns endlich verabschieden. Wieso können wir das nicht auch so handhaben, wie es in der Rockbranche selbstverständlich ist: Da geht niemand in ein Konzert, um einen bestimmten Komponisten zu hören, sondern um etwas zu erleben. Es ist doch vollkommen überflüssig, darüber zu diskutieren, ob diese oder jene Note von Bruckner ist oder nicht. Auch die klassische Musik ist nichts anderes als ein unmittelbarer Draht in die Transzendenz, ein Erlebnis, daß sich mit dem Besuch einer Kathedrale vergleichen läßt. Da gehen Sie nicht hinein und denken: Moment mal, die Hauptsäule ist von einem anderen Meister, der 200 Jahre später gelebt hat.

Doch in den Kathedralen haben Architekten und Baumeister ihre Werke im Stil ihrer Zeit weitergebaut. Sie aber schreiben glaubwürdig im Ton Bruckners.

Ich war nur Medium. Ich hätte von diesem Finale nicht eine einzige Zeile zu schreiben vermocht, hätte mich nicht eine überirdische Kraft geführt.

Der Finalsatz wirkt stilistisch so brucknerisch, daß man annehmen könnte, er stamme tatsächlich aus dessen Feder. Wie ist die Partitur entstanden?

Am Anfang stand die Erkenntnis, daß gerade das Finale zur Neunten von Bruckner vollkommen anders disponiert wurde, als er dies in allen seinen bisherigen Sinfonien umgesetzt hatte: Das erste Thema war bis dato immer monumental, stand eindeutig für Gott, das zweite war eine gesangvolle, beseelte Passage, das dritte eine einstimmige Melodie, die für Transzendenz stand. Beim Finale der Neunten vermittelt das erste Thema Chaos und Instabilität, ein Brodeln wie am Anfang der Schöpfung. Darauf folgt eine melodische Linie ohne Substanz und Eigenschaften, als ob sie im Buddhismus ihre Wurzeln hätte.

Hat Ihr vollendeter Finalsatz des halb keine der für Bruckner typischen gesanglichen Motive, die in anderer Tonart im zweiten Thema aufleuchten?

Na klar, denn mitten in der Arbeit an diesem zweiten Thema war es, als würde mich jemand am Schopf packen und 8000 Meter hoch schleudern. Plötzlich finde ich mich in der glasklaren Luftregion des Himalajas wieder - weitab von unserem irdischen Alltag, als ob sich der Geist reinigen würde. Da wurde mir klar, daß Bruckner nicht das zweite Thema an sich verändert haben wollte, sondern nur seine Aura. Ich brauchte sodann diese Urzelle einfach zu verwandeln: in ihren Verwandlungen wird sie nur noch geheimnisvoller.

Inwiefern prägte Ihr Lehrer Celibidache Ihr Musikverständnis?

Ihm verdanke ich, daß ich überhaupt bei der Musik geblieben bin. Als ich ihm 1980 bei einem Dirigentenkurs erstmals begegnete, habe ich sofort gespürt, daß da jemand vom Geheimnis der Musik redet. Bei Celibidache habe ich gelernt, mit meinem Körper die Musik sichtbar zu machen. Und die wichtigste Erkenntnis war natürlich, daß Musik nichts ist, was sich in Noten abspielt, sondern das ganze Sein umfaßt. Das hat mich schier umgeworfen. Eines Tages sagte er zu mir: „Das, was du suchst, wirst du hier nicht finden. Geh in den Osten." Und tatsächlich habe ich sechs Jahre später in Indien erst geistig und seelisch zu atmen begonnen und das Glück gehabt, einen Meister zu finden, der mir die Tore zu einer spirituell-musikalischen Dimension aufgeschlossen hat, der ich fassungslos vor Staunen gegenüberstand.

Was bat Sie derart beeindruckt?

Urerfahrungen an den Wurzeln des Seins. Jeden Morgen mußte ich in der Früh einen einzigen Ton singen. Singen Sie mal zehn Minuten einen einzigen Ton, dann sind Sie verrückt, das dehnte er aus auf 45 Minuten und sagte: „Erst wenn du das Monate praktiziert hast und wenn dieser eine Ton dann lebt, dann werden wir überhaupt erst erwägen, daß die Musik auch aus einem zweiten besteht."

Dennoch hatten Sie auch ein ambivalentes Verhältnis zu Celibidache und gingen irgendwann auch wie der Ihre eigenen Wege.

Als einer der größten Egomanen des Universums war Celi gefährlicher als der Todesbiß einer Königskobra. Er hat jeden, der Format gehabt hat, vom Pult herunter geschmissen. Zu nur hat er einmal geschrieen, „du dirigierst wie ein Cowboy". „Aber Sie dirigieren auch so", sagt ich, darauf er: „Was wagst du, willst du Celibidache korrigieren?"

Was Celi wohl gesagt hätte, wenn er Ihre Vollendung der Neunten noch miterlebt hätte?

Da er mit Bruckner vereint ist, würde er mich wahrscheinlich nicht mehr von der Orgelempore in St. Florian hinunterwerfen.