Großer und kleiner Weihegesang
Zum denkwürdigen Abend der Münchner Philharmoniker unter Sergiu
Celbidache
Ehrerbietige Reverenz vor
Maestro Sergiu Celibidache: Erst einmal, vor vielen Jahren zur
Mozart-Woche, war der heute 72jährige große Einzelgänger unter den
Dirigenten ... in Salzburg zu Gast. Jetzt war es das Verdienst der
Kulturvereinigung, ihn für den
Zyklus „Die Große Symphonie" ins Große Festspielhaus gebeten zu
haben, mit „seinem" Orchester und dem Philharmonischen Chor,
München, mit Strawinskys „Psalmen-Symphonie" und Bruckners
Siebenter, also mit einem, vom Umfang her gesehen, kleinen und einem
großen Weihegesang ... Sergiu Celibidache bescherte den staunenden
Abonnenten ein musikalisches Fest, das diesen Titel rechtfertigt,
nicht pompösen Glanz, nicht das Äußerliche, grob Strukturierte, das
glatt Polierte, sondern das Wesenhafte der Musik, die bestimmt wird
durch ihr Maß und ihre Zeit...
Bruckners 7. Symphonie in E-Dur ... in Furtwänglerscher Dimension
... Sergiu Celibidache getraut sich noch, die unendlichen „Anläufe"
Bruckners, dieses Einatmen und Ausatmen und Stocken und
Wieder-von-vorne-Beginnen auszuspielen, er getraut sich, Maß zu
halten und sich Zeit zu nehmen und zu lassen und gewinnt dadurch auf
das natürlichste das Wesentliche: die symphonische Form, die sich,
ohne vordergründige Analytik, allein aus dem Gang der Musik, aus dem
Verlauf der Linien im Horizontalen und im Vertikalen. ..mit dem
„Inhalt" füllt. Ein Wunder, wie die Münchner Philharmoniker dem
Anspruch nach größtmöglicher Klarheit nachkamen, wie sie ... die
kontrapunktischen Strukturen offenlegten, wie sie im Zu- und
Gegeneinander der Stimmen das Geschehen verdichteten und wieder
lösten, immer wieder im idealen Maß und in der idealen Zeit: Das war
eine ehrfurchtgebietende Leistung.
Sergiu Celibidache ist kein „Star", er blendet nicht, weil er weiß,
was er der Musik schuldig ist. Er dient ihr ... mit aller gebotenen
Strenge und Aufrichtigkeit... Celibidache, bekanntermaßen ein
fanatischer, unerbittlicher Probierer, einer, der keine Halbheiten
duldet, braucht im Moment der Aufführung nicht mehr als die Musiker
sachkundig zu lenken
... Strawinskys „Psalmen-Symphonie",... das war der schlichte, auf
den Kern reduzierte Kontrapunkt dieses Abends, herb und uneitel, mit
Genauigkeit und Sachkenntnis vorgetragen ... Bravourös bewältigte
der Philharmonische Chor, vortrefflich einstudiert von Josef
Schmidhuber, den streng gefügten Part, wortdeutlich, präzis in der
Deklamation, farbig im Verteilen der vokalen Wertigkeiten ...
Karl Harb
(„Salzburger Nachrichten", Salzburg)