Dr. Klaus Lang im Interview...
			
			Ein Gespräch mit Sergiu Celibidache
			
K. Lang: Sie haben, Herr Professor Celibidache, in Rumänien (Ihrer Heimat) und in Berlin Mathematik, Philosophie und Musikwissenschaft studiert. Sind diese Denkformen auch heute noch ein wesentlicher Bestandteil Ihrer musikalischen Interpretation?
							
							S. 
                            Celibidache: Sicherlich nicht. Als ich damals 
                            das alles studierte, wußte ich gar nicht, was ich 
                            im Leben machen werde. Das war sozusagen nur ein 
                            Bedarf nach Wissen, der damals erfüllt wurde. Aber 
                            indirekt ist das doch alles von großem Nutzen, denn 
                            man muß in der Musik, solange man das Material untersucht, 
                            sehr logisch und mathematisch vorgehen. Das sind 
                            ganz wissenschaftliche Verhältnisse. Wenn man darin 
                            nicht so trainiert ist, kann man es eben nicht machen.
							
							Sie 
                            haben damals über Josquin Desprez gearbeitet und 
                            die Mathematik hat ja bei ihm eine ganz große Rolle 
                            gespielt.
							
							Nicht 
                            auf musikalischem Gebiet. Sicherlich nicht.
							
							Aber 
                            die Zahlensymbolik beispielsweise war doch im 15. 
                            Jahrhundert ganz wesentlich.
							
							Ja, 
                            aber das hat nicht auf die Form eingewirkt. Die 
                            Leute haben sich mit der Kabbalistik beschäftigt, 
                            so wie wir uns heute damit beschäftigen. Und die 
                            ganz großen Philosophen in Frankreich denken auch 
                            heute über Zahlen. Zahlenverhältnisse und Zahlensymbolik 
                            nach. Sobald es dann aber um den Ton geht, ist natürlich 
                            keine Zahl mehr dabei.
							
							Aber 
                            für Sie ist doch die musikalische Analyse eine selbstverständliche 
                            Voraussetzung jeder Interpretation?
							
							Aber 
                            nicht die Analyse, von der Sie sprechen. Es ist 
                            etwas, das Sie gänzlich ignorieren: die phänomenologische 
                            Analyse. Auf der einen Seite, was ist im Material 
                            drin, was ich gar nicht interpretieren kann oder 
                            darf? Und was ist die Beziehung zwischen dem, was 
                            das Material bewegt und dem menschlichen Bewußtsein? 
                            Denn was ist Musik schließlich? - eine Bewegung. 
                            Was bewegt sich? Nichts anderes als unser Bewußtsein, 
                            Man kann eben ohne die Töne zu hören, Musik empfinden. 
                            Also, es ist doch das Bewußtsein.
							
							Wenn 
                            man nur die Partitur sieht?
							
							Sicher. 
                            Aber der Bauer, der nichts weiter vorhat, als sein 
                            Glück auszudrücken oder seine Stimmung am Morgen, 
                            er singt. Und das sind keine Noten, keine Partitur 
                            und nichts. Das ist nur eine Form von Dynamik, die 
                            sich ausdrückt.
							
							Nun 
                            dirigieren Sie in einem Konzert beispielsweise die 
                            4. Sinfonie von Brahms. Das ist ein Stück, das Sie 
                            in Ihrem Leben sicher hundertmal dirigiert haben. 
                            Darf ich Sie fragen, wie Sie sich auf ein solches 
                            Konzert vorbereiten?
							
							Ich 
                            bereite mich gar nicht vor. Das heißt, in der Studentenzeit 
                            habe ich das gelernt, da habe ich Verhältnisse festgestellt. 
                            Im Laufe der Zeit habe ich alles vertieft und dann 
                            meine Korrelationsfähigkeit zwischen den verschiedenen 
                            Momenten erweitert. Jetzt kann ich es wohl empfinden 
                            in jedem Augenblick, wo ich mich befinde, wo ich 
                            herkomme und wo ich hin will.
							
							Sie 
                            brauchen auch während der Probe nicht die Partitur?
							
							Ich 
                            habe sie noch nie gebraucht, zumindest in den letzten 
                            zwanzig Jahren nicht mehr.
							
							Das 
                            heißt, Sie haben auch gar keine genauere optische 
                            Vorstellung mehr von der Partitur.
							
							Warum 
                            denn optisch?
							
							Da 
                            ist meine Frage.
							
							Weil 
                            Sie nicht empfinden können, was an sich die Musik, 
                            das musikalische Gedächtnis, das In-sich-Aufnehmen, 
                            was die richtigen Verhältnisse des Klanges ausmachen. 
                            Das ist alles musikalisch.
							
							Eine 
                            Probe bedeutet demnach für Sie eine Realisation, 
                            Ihrer ganz präzisen Vorstellung von der Partitur.
							
							Des 
                            Komponisten Vorstellung, meiner gar nicht., Ich 
                            kann mir das gar nicht erlauben, Vorstellungen  zu 
                            haben. Wenn ich schon eine Eigenschaft habe, oder 
                            ein Interpret seine Eigenschaft hat, so ist es doch 
                            nur die, sich so weit wie möglich mit diesen Momenten 
                            zu identifizieren, die die Phantasie des schöpferischen 
                            Menschen bewegt haben.
							
							Nun 
                            müssen Sie aber doch bei einer Probe Ihre Vorstellung 
                            oder die Vorstellung, wie Sie meinen, des Komponisten, 
                            auf das Orchester übertragen.
							
							Ja, 
                            dafür ist meine Technik da, die aber ziemlich unbekannt 
                            ist in der Welt, denn jeder macht etwas anderes. 
                            Wir stecken, wir schwimmen in einem Ignoranzbad, 
                            wie es die Welt noch nicht gekannt hat zuvor. Wir 
                            haben gar keine Techniker mehr heute. Technik heißt 
                            hier übertragen einer Geste, die in sich eine Proportion 
                            darstellen muß, die auf die Dynamik der dargestellten 
                            Passage angepaßt ist.
							
							Gibt 
                            es da keine Unterschiede zwischen den einzelnen 
                            Orchestern? Ist es egal, ob Sie diese Vorstellung 
                            auf ein erstklassiges oder auf ein drittklassiges 
                            Orchester übertragen?
							
							Sicher, 
                            aber ein erstklassiges wird es eher verstehen und 
                            sofort realisieren. Aber was Sie als ein mittelmäßiges 
                            Orchester bezeichnen, kann ein phantastisches Orchester 
                            werden wenn einer mit ihm zu arbeiten versteht.
							
							Spielt 
                            Ihrer Meinung nach die Tradition eines Orchesters 
                            eine große Rolle?
							
							Ja, 
                            im negativen Sinne. Denn Musik wurde, wenigstens 
                            behaupte ich das, noch gar nicht verstanden. Ich 
                            will damit nicht sagen, daß ich sie verstehe. Wir 
                            sind an ihr vorbeigegangen wir haben Zuflucht in 
                            den Noten gefunden und das Wesen, das eigentliche 
                            Wesen der Musik nicht wirklich realisiert.
							
							Wir 
                            wissen, daß Sie auf sehr viele Proben Wert legen. 
                            Ist es so, wenn Sie beispielsweise acht Proben gemacht 
                            haben mit dem Südfunk-Sinfonieorchester, daß dann 
                            die Proportionen für das Konzert, das heißt für 
                            die Ausführung wirklich festgelegt sind?
							
							Nein, 
                            da ist auch noch so Ihre konventionelle Denkweise 
                            ein Hindernis. Sehen Sie, die Zahl der Proben hängt 
                            von der Qualität des Orchesters ab. Je besser ein 
                            Orchester ist, desto mehr Möglichkeiten bietet mir 
                            jeder einzelne, um etwas zusammenzustellen. Ist 
                            das nicht der Fall bei einem mittelmäßigen Orchester, 
                            sagen wir mal, der Flötist kann nur in drei, statt 
                            dreihundert Weisen spielen, da habe ich nicht viel 
                            Wahl und kann nicht viel Zeit verlieren. Da bestehe 
                            ich auf Zusammenspiel., ein bißchen Piano, ein bißchen 
                            Forte, und damit Schluß. Kann er mir aber fünfhundert 
                            Möglichkeiten bieten, diesen Ton zu erzeugen, na, 
                            welche ist dann von diesen fünfhundert die beste 
                            und paßt mit dem Fagott zusammen? Das ist eine Zeitfrage.
							
							Das 
                            suchen Sie während der Proben?
							
							Nein, 
                            ich weiß es ganz genau. Wenn die Leute etwas können, 
                            wird viel Zeit vergehen. Wenn die Leute natürliche 
                            Grenzen haben, dann gibt es eine ganz kurze Probe. 
                            Aber solche kurzen Proben mag ich eben nicht. Ich 
                            habe mir jetzt die Orchester ausgesucht, die spielfähig 
                            sind nach meinen Maßstäben und die auch entwicklungsfähig 
                            sind auf diesem phänomenologischen Weg.
							
							Ich 
                            wollte Sie noch einmal fragen, unterscheidet sich 
                            die Probe von der Aufführung?
							
							Nein. 
                            Also die erste Probe unterscheidet sich von der 
                            zweiten, und dann die zwölfte von der elften, sicher. 
                            Da ist es ein weiteres Zugehen zu einem gewissen 
                            Punkt. Aber es steigert sich ständig, d.h. wir eignen 
                            uns alles an, was wir bei der Probe hören. Bis es 
                            dann jeder gestalten kann. Wenn das nicht der Fall 
                            ist, dann muß weiter probiert werden.
							
							So 
                            daß eine weitere Veränderung Ihrer Interpretation 
                            dann nur noch durch verschiedene Akustik bedingt 
                            wäre, wenn Sie also eine Konzerttournee machen?
							
							Das 
                            ist sehr richtig, was Sie sagen, denn die Akustik 
                            ist ein fortbildendes Element. Deswegen ist die 
                            Schallplatte die Vernichtung der Musik. Denn sie 
                            wird nicht in derselben Akustik gehört, in der man 
                            sie aufgenommen hat. Für uns ist es maßgebend, was 
                            für eine Akustik vorhanden ist. So ist das Tempo 
                            die direkteste Folge der Akustik und damit eine 
                            lebendige Funktion. Es gibt nicht ein einziges Tempo, 
                            das sie von Berlin nach London mitnehmen können. 
                            Ist da eine kurze Resonanz, müssen Sie die Tempi 
                            etwas beschleunigen, damit die Werte nicht auseinanderstehen 
                            und sich noch berühren. Ist die Resonanz dagegen 
                            zu lang, dann gehen die Werte übereinander, sie 
                            beschatten sich. Der Schwanz von der einen trifft 
                            den Anfang von der nächsten und so entsteht eine 
                            schreckliche Konfusion. Sie müssen das Tempo dann 
                            etwas verlangsamen, damit die Werte noch einzeln 
                            aufgenommen werden können.
							
							Nun 
                            verstehe ich eines überhaupt nicht, daß Sie jetzt 
                            auch wieder bei einem Rundfunk arbeiten und daß 
                            Sie doch mehr als zehn Jahre beim Stockholmer Rundfunk 
                            gearbeitet haben.
							
							Ganz 
                            falsch, ich mache doch keine Rundfunkarbeit. Ich 
                            mache Konzerte.
							
							Sie 
                            machen aber -
							
							Daß 
                            der Rundfunk sich einschaltet, da kann ich doch 
                            nicht nein sagen, sonst müßte ich doch sterben oder 
                            einen anderen Beruf ergreifen.
							
							Aber 
                            Sie würden gerne nein sagen?
							
							Aber 
                            selbstverständlich. Wenn ich Geld hätte und das 
                            Orchester bezahlen könnte. Ohne Rundfunk, natürlich 
                            würde es ohne den Rundfunk gehen. Aber man kann 
                            heutzutage nur beim Rundfunk arbeiten, denn das 
                            sind die reichsten Gesellschaften, die können die 
                            Proben geben. Wir haben für ein Konzert nicht acht 
                            Proben, wie Sie sagen sondern zwölf und in Frankreich 
                            sogar vierzehn. Bei einem der besten Orchester, 
                            dem Orchestre National de l’ORTF.
							
							Sie 
                            sind ein, wir Sie jetzt auch wieder bestätigen, 
                            Gegner der Schallplatte. Besitzen Sie selbst überhaupt 
                            keine Schallplatten?
							
							Sie 
                            sind auch ein Gegner, nur wissen Sie es gar nicht. 
                            Sie sind taub! Ich bin’s nicht. Sie meinen, Sie 
                            sind nicht taub, weil Sie mit mir sprechen können. 
                            Sie hören gar nicht das, worauf es ankommt. Das 
                            Mikrophon verstärkt einige Obertöne und annulliert 
                            andere. Und es mag auch interessanter klingen auf 
                            der Platte von einem ganz unmusikalischen Standpunkt 
                            aus gesehen. Was ist auf der Platte noch echt?
							
							Es 
                            ist aber auch so, daß in einem Konzertsaal jeder 
                            Platz eine andere Akustik hat, so daß es von verschiedenen 
                            stellen aus ganz anders gehört wird.
							
							Ellen-Unzulänglichkeiten 
                            des So-Musik-Machens!
							
							Ja, 
                            was ist dann Ihrer Meinung nach der ideale Platz 
                            in einem Konzertsaal?
							
							Im 
                            Badezimmer vormittags singen aus lauter Freude oder, 
                            da die Dame nicht gekommen ist, weinen mit Musik, 
                            das ist direkt und echt! Aber das tut keiner mehr. 
                            Dafür nimmt er eine Platte, und es weint ein anderer 
                            für ihn.
							
							Interessiert 
                            es Sie beispielsweise gar nicht, wie Arthur Nikisch 
                             dirigiert hat?
							
							Selbstverständlich 
                            interessiert mich das sehr. Ich habe sogar in London 
                            eine Aufnahme gehört.
							
							Eine 
                            Aufnahme! Also nicht ein Konzert.
							
							Ich 
                            bin zu jung, um das gehört zu haben.
							
							Sehen 
                            Sie, das ist die Frage. Wie sollen sich gerade junge 
                            Leute heute über Furtwängler und Toscanini informieren?
							
							Wieso 
                            denn? Warum soll ich durch Furtwängler-Hunger satt 
                            werden? Ich habe einen Musikbedarf in mir, und er 
                            ist selbstverständlich unter gewissen Umständen 
                            zu befriedigen. Wieso sollen Sie jetzt nach Nikisch 
                            trachten und Sehnsucht haben. Wenn Sie nie eine 
                            Zigarette geraucht haben, können Sie doch auch nicht 
                            sagen, ich kann nicht ohne Zigarette auskommen. 
                            Was fehlt Ihnen Nikisch? Sie haben sich selbst noch 
                            nicht gefunden. Sie sind außerhalb der Musik, mögen 
                            Sie der Herr sein, der vor mir sitzt und hundert 
                            andere Pressemänner. Sie sind außerhalb der Musik, 
                            angefangen mit Stuckenschmidt usw. usw. ......
							
							Also, 
                            mir können Sie es nicht vorwerfen, weil ich auch 
                            sehr gerne alleine Geige spiele, ganz alleine für 
                            mich.
							
							Das 
                            ist doch ganz egal. Sie sind ein Symbol.
							
							Gut.
							
							Ja, 
                            wäre das nicht so gewesen, wäre heute die Musik 
                            nicht da, wo sie eben ist, in absoluter Mittelmäßigkeit. 
                            Es gibt nicht einen neuen Dirigenten, der noch Musik 
                            versteht oder der den Unterschied zwischen Noten 
                            und Musik begreifen kann. Ihr seid alle Notenjäger, 
                            und Musik hat nichts mit Noten zu tun! Noten sind 
                            Vehikel, die eine Substanz transportieren. Das ist 
                            die Musik. Sicherlich kann sie nichts ohne diese 
                            Vehikel erreichen, sie vermaterialisiert sich durch 
                            diese Vehikel. Aber sie ist nicht in den Noten.
							
							Herr 
                            Professor Celibidache, Sie haben sich sehr viel 
                            mit Studenten auseinandergesetzt und Sie haben sehr 
                            viele Studentenkurse gemacht für Dirigenten. Wie 
                            arbeiten Sie mit diesen jungen Leuten?
							
							Zunächst 
                            so, wie man mit mir auch gearbeitet hat. Ich bringe 
                            Ihnen ein bißchen Schlagtechnik bei und damit die 
                            Bewegung, die eine Phrase ausdrücken kann. Dann 
                            studiere ich mit ihnen Phänomenologie, die Verobjektivierung 
                            des Materials. Wie verhalten sich alle die Werte 
                            im Menschenbewußtsein, ohne daß derjenige, der zuhört, 
                            etwas davon will? Jetzt will ich etwas machen, oder 
                            hier möchte ich was anderes machen. Frei von alledem 
                            sein! Wie verhalten sie sich, zwei Töne im Raum, 
                            was ist denn das alles? Wieso kann es mein Bewußtsein 
                            wahrnehmen und es verarbeiten im musikalischen Sinne? 
                            Da sind die zwei Sparten meiner Konzentration. So 
                            arbeite ich mit Studenten.
							
							Wie 
                            können Sie überhaupt feststellen, daß ein junger 
                            Musiker sich als Dirigent eignet?
							
							Ja, 
                            das ist natürlich schwer und kaum so schnell zu 
                            sagen. Ich kann es auch gar nicht feststellen, und 
                            deshalb habe ich nie zu einem Studenten nein gesagt. 
                            Ich habe lauter Aufnahmeprüfungen gemacht, so wie 
                            man sie früher gemacht hat, und man hat festgestellt, 
                            ob der Man ein Interesse hat für den wissenschaftlichen 
                            Teil der Musik, also Musikwissenschaft. Kann er 
                            das gut beherrschen, Harmonie, Fuge, Analyse, Formanalyse 
                            usw.? Hat er das Zeug, abstrakt zu denken? Ja, da 
                            sind schon zwei Gesichtspunkte. Schließlich: Kann 
                            er zwei oder drei oder fünf oder fünfzehn Töne korrelationieren, 
                            d. h. in Verbindung zueinander empfinden? Und das 
                            überprüft man, indem er ein Instrument spielt oder 
                            eine kleine Probe vordirigiert usw. Und aus dieser 
                            Probe in einem Kursus werden natürlich dann 12 Leute 
                            ausgesucht, die auch praktisch mit dem Orchester 
                            eine halbe Stunde am Tag arbeiten.
							
							Die 
                            kommen dann und stellen sich das erste Mahl vor 
                            ein Orchester?
							
							Sicher. 
                            Nein, meistens sind das Leute, die schon dirigiert 
                            habe. Aber auch welche, die noch nie dirigiert habe, 
                            so wie ich 1945.
							
							Was 
                            halten Sie denn von Dirigentenwettbewerben?
							
							Nichts, 
                            absolut nichts, der allergrößte Unsinn. Zunächst: 
                            die Juroren sind absolut inkompetent. Denn Dirigenten 
                            sind lauter Menschen, die aus Empirismus kommen. 
                            Der eine macht das so, der andere so. Es gibt überhaupt 
                            keine Schlagtechnik, denn die Menschen haben die 
                            Physiologie des Körpers nicht verstanden und ihre 
                            Beziehung zur Physiologie der Musik. Denn die Bewegung 
                            in der Musik ist physiologisch bedingt. Musik ist 
                            Gegenüberstellung von Klängen, von Klangmassen. 
                            Ja, wie sollen die das beurteilen? Ich war ein einziges 
                            Mal Mitglied einer Jury, und ich habe die Idiotien 
                            gehört, die da vorgetragen wurden. Und schließlich 
                            macht dann der das Rennen, der mit Temperament dirigiert, 
                            denn Temperament sieht jeder. Ob die Geste zu etwas 
                            Musik geholfen hat, um Gottes Willen, wer soll das 
                            beurteilen? Furtwängler hätte es nicht gekonnt, 
                            denn er hat überhaupt keine Geste gehabt. Nikisch 
                            hätte es nicht gekonnt, denn er hat auch keine Geste 
                            gehabt. Aber sie hatten eine wunderbare Autorität, 
                            in ganz anderer Weise...
							
							Aber 
                            ist denn das nicht letzten Endes entscheidend, die 
                            Persönlichkeit, und das kann man doch feststellen!
							
							Was 
                            soll denn die Persönlichkeit entscheiden? Den Text 
                            verstehen?
							
							Nein, 
                            ich würde sagen, die Autorität, um eine Vorstellung 
                            auf ein Orchester zu übertragen.
							
							Das 
                            ist eine Bedingung, daß sie die Autorität haben, 
                            dem Orchester etwas zu übertragen. Aber was übertragen 
                            sie? Das hat sich keiner gefragt. Ordinarität, Trivialität, 
                            Geistigkeit usw. Was wollen Sie übertragen?
							
							Nach 
                            Möglichkeit die Vorstellung des Komponisten-
							
							Woher 
                            wissen Sie was davon? Die Welt hat in 150 Jahren 
                            bewiesen, daß sie es nicht verstanden hat. Das Siegfried-Idyll 
                            unter Wagners Taktstock hat 30 Minuten gedauert, 
                            unter Bernhard Haitink dauert es 12 Minuten. Sie 
                            sprechen von derselben Sache. Alle haben übertragen. 
                            Wagner auch. Ich nehme an, daß er mehr davon gewußt 
                            hat. Was ist das? Ein Skandal! Was war Knappertsbusch 
                            für ein Skandal! Man hat von ihm gesagt, er nähme 
                            breite Tempi. Es waren nicht breite Tempi. Es war 
                            Unmusik bis dorthinaus. Er hatte aber auch Momente 
                            von Musik. Es stimmt. Nehmen Sie doch eine Haydn-Symphonie. 
                            Es ist ein Skandal. Er hat überhaupt keine Empfindungen 
                            gehabt für das Verhältnis: vertikaler Druck - horizontaler 
                            Fluß. Das ist schließlich das, was Musik ausmacht. 
                            Furtwängler hatte eine enorme Persönlichkeit, aber 
                            was hat er uns für eine Ecke Musik hinterlassen? 
                            Nicht ein Takt ist zu übernehmen. Aber kann die 
                            Musik so persönlich aufgefaßt werden? Ist da nichts, 
                            was den Menschen übertrifft? Geht sie nicht über 
                            das, was Sie sind, was ich bin und sogar, was der 
                            Komponist ist? Ich meine doch. Denn, das Traurige 
                            in einem Mozart-Andante ist nicht Ihres und ist 
                            nicht meines. Das ist auch nicht einmal Weltschmerz. 
                            Es ist darüber.
							
							Aber 
                            wer kann es dann heute realisieren?
Sicher nicht die Leute, auf die Sie gesetzt haben. Todsicher nicht. Nicht Mehta und nicht Maazel, und wie sie alle heißen. Was die machen, ist außerhalb jeder Form von Musik, das ist Notenvirtuosität.
							
							Es 
                            kann dann nur noch heißen: Celibidache.
							
							Um 
                            Gottes Willen, ich spreche nicht von mir, ich habe 
                            schon so angefangen. Ich sage nicht, daß ich es 
                            kann. Ich sage nur, daß das, was ich höre, nicht 
                            Musik ist. Sie müssen mir sagen, ob das, was ich 
                            mache, für Sie Musik ist. Wenn es soweit ist. Sie 
                            sind aber dazu nicht in der Lage, denn wir müssen 
                            zusammenleben, zwei, drei Jahre, bis wir über die 
                            Noten hinwegkommen. Ob das zu machen ist, wird sich 
                            zeigen. Ich habe über 6000 Schüler gehabt in diesem 
                            kurzen Leben, ich habe nicht einen gehabt, der die 
                            Geduld, die Bescheidenheit und den Fanatismus hatte, 
                            wirklich durchzuschauen, was das alles ist.  Also, 
                            es ist eine Bilanz, die ziemlich negativ ausfällt.
							
							Dann 
                            sind Sie eigentlich ständig am Verzweifeln.
							
							Nein, 
                            um Gottes willen, ich bin sehr realistisch., Ich 
                            verzweifle nicht, die Welt ist nun mal so. Wenn 
                            ich sie gemacht hätte, wäre ich sicherlich verzweifelt. 
                            Ich bin aber ganz unschuldig. Nicht meine kleine 
                            Welt kann ich besser gestalten. Was soll ich mit 
                            der großen Anfangen.
							
							Wenn 
                            Sie auf Ihre eigene Dirigentenkarriere zurückblicken 
                            und jetzt noch einmal starten würden, würden Sie 
                            etwas ganz anders machen?
Ja, den allerersten Anfang. Zum Beispiel die Berliner Zeit. Natürlich, da habe ich irgendwie intellektuell und theoretisch gewußt, daß Musik nicht so ist, daß sie nicht nur Intensität und Feuer ist. Und ich wußte genau, daß alle diese Momente, die dem Menschen etwas geben, zu transzendieren sind. Ich hab’s aber nicht gekonnt. Bis einmal ein Professor zu mir gekommen ist und gesagt hat: “Du bist ein Idiot”.
							
							Wer 
                            war das?
							
							Ich 
                            würde es Ihnen nicht sagen. “Du bist ein Idiot, 
                            ich habe meine Zeit mit dir und mir vertan”. Und 
                            was tat ich: ich reiste nach Amerika, und die ganze 
                            Welt sprach von den ungeheuren Erfolgen des jungen 
                            Celibidache. Ich habe irgendwie gespürt,  er 
                            hat recht. Nicht die anderen. Denn man hat mir praktisch 
                            die Krone von Toscanini angeboten, als ich 1949 
                            in Berlin war. Ich habe nein gesagt. Damals war 
                            dieser Schock noch nicht da, das kam er 52. Und 
                            durch diesen Mann habe ich alles verloren, was ich 
                            hatte, und doch habe ich mich nicht als arm betrachtet. 
                            Er sagte mir, fange wieder mit ganz kleinen Formen 
                            an,. Was meinte er? Es ist ein Gefühl, das man in 
                            der Philosophie das “Bewußtwerden” nennt, im Unterschied 
                            zum “Bewußtsein”. Nicht greifen, sondern ständig 
                            bewußt werden. Und in jedem Augenblick wissen, wo 
                            man sich befindet. Ich muß das Cis empfinden in 
                            Beziehung zu der Reihe und der Kombination von Intervallen, 
                            die bis zum Cis geführt haben. Denn sie sind in 
                            diesem Cis enthalten. Und so ist auch die Zukunft 
                            von diesem Cis in ihm enthalten. Also muß ich in 
                            der Vergangenheit empfinden und in der Zukunft. 
                            Aber wo? In der Gleichzeitigkeit! Das heißt Bewußtwerden 
                            und nicht nach dem Bewußtsein greifen,
							
							Herr 
                            Celibidache, konnten Sie in dieser Zeit, dieser 
                            Krise, eigentlich überhaupt noch dirigieren?
							
							Na 
                            - dirigieren konnte ich schon. Aber natürlich nicht 
                            in diesem Sinne. Da habe ich mich mit ganz kleinen 
                            Formen beschäftigt, u.a. mit der Tafelmusik von 
                            Telemann. Und meine ganze Aufmerksamkeit war dahin 
                            gerichtet, die allgemeine Form aus dem einzelnen 
                            zu empfinden. Und nach zwei Jahren habe ich dann 
                            meinen Professor wieder eingeladen und er sagte: 
                            “Ja, jetzt sehe ich schon, daß Du darauf achtest, 
                            das wird schon werden.” Und dann später habe ich 
                            in der Staatsoper dirigiert. Er war wieder dabei 
                            und sagte: “Ja, ich habe gewußt, daß Du hinkommst”. 
                            Also, das war’s.
							
							Ich 
                            glaube, es war Heinz Thiessen. Wir brauchen kein 
                            Geheimnis daraus zu machen. Und das ist ein Mann, 
                            der Ihnen doch sehr am Herzen liegt. Unter anderem 
                            haben Sie zu seinem siebzigsten Geburtstag ein Konzert 
                            in Berlin dirigiert.
							
							Ja, 
                            das habe ich gemacht.
							
							Können 
                            Sie noch etwas von der Zusammenarbeit mit Heinz 
                            Thiessen sagen? Haben Sie an ihm auch seine Kompositionen 
                            bewundert?
							
							Ja, 
                            selbstverständlich. Das war so ein Einzelgänger 
                            und ein sehr bescheidener Mensch - aber von einer 
                            ganz hohen Geistigkeit. Von ihm habe ich verschiedene 
                            Sachen, ich möchte direkt sagen, geerbt. So zunächst 
                            das Alles-für-sich-Behalten, obwohl das mit meiner 
                            Art und mit meinem kämpferischen Geist gar nicht 
                            zusammenpaßt. Von ihm habe ich gelernt, doch auf 
                            alles zu verzichten, was nicht in meinem Griffbereich 
                            liegt.
							
							Sie 
                            hatten Kompositionsunterricht bei ihm?
							
							Ja.
							
							Und 
                            das Dirigieren haben Sie auch von ihm gelernt damals?
							
							Nein, 
                            gar nicht. Das habe ich von Walter Gmeindl gelernt, 
                            aber nur theoretisch. Wir hatten im Krieg kein Orchester, 
                            mußten Partituren analysieren und doch viel wissen 
                            über die Technik der Zeit: Wie die technische Einstellung 
                            unserer Zeit diese Werke beurteilt und auseinandernimmt, 
                            was aber für den musikalischen, den phänomenologischen 
                            Sinn überhaupt keine Bedeutung hat., Wir haben alle 
                            Harmonie studiert, Kontrapunkt, aber keiner hat 
                            uns gesagt, wie denn die Klangmasse verläuft und 
                            was die Spannung macht, wenn ich von G-Dur nach 
                            D-Dur gehe.
							
							Sie 
                            sind 1946 Chefdirigent des Berliner Philharmonischen 
                            Orchesters geworden. Wie kam das?
							
							Ja, 
                            das war so: Leo Borchard starb und ich wurde vom 
                            Orchester eingeladen, ein Konzert draußen in Zehlendorf 
                            zu dirigieren.
							
							Sie 
                            hatten vorher nie dirigiert?
							
							Nein, 
                            aber - doch ich habe in der Schule so ein bißchen 
                            dirigiert, aber ein Orchester nicht. Die Philharmoniker 
                            haben mir ein Konzert gegeben und nach diesem Konzert 
                            war also ein guter Eindruck da. Ich glaube auch, 
                            die Hauptsache war, daß die Deutschen, die einen 
                            Namen hatten und wahrscheinlich viel mehr konnten 
                            als ich, damals politisch belastet waren., Und ich 
                            war politisch eine Jungfrau. So haben sie dann mich 
                            gewählt und von den Amerikaner bestätigen lassen. 
                            Dann bin ich bis 1952 in Berlin gewesen.
							
							Sie 
                            wollten ja später ganz fraglos der Nachfolger von 
                            Wilhelm Furtwängler werden. Sie sind es nicht geworden-
							
							Gar 
                            nicht - Es ist gar nicht wahr, daß ich das wollte. 
                            Ich wollte nicht Nachfolger von Furtwängler werden. 
                            Keiner kann Nachfolger von Furtwängler sein. Und 
                            als dieses Problem kam, da habe ich so viel Böses 
                            in Berlin in mich aufgenommen, daß ich wirklich 
                            nicht geblieben wäre. Und das war auch meine Rettung. 
                            Denn die Berliner haben gegen mich gekämpft aus 
                            ganz verschiedenen Gründen. Und ich habe auch nicht 
                            ruhig einkassiert, sondern zurückgeschlagen.
							
							Ich 
                            kann Ihnen aufgrund des Einblicks in die Presse 
                            von damals das nicht bestätigen. Man hat bestimmte 
                            Dinge von Ihnen kritisiert...
							
							Lassen 
                            Sie-, lassen Sie das sein -, die haben doch nichts 
                            von mir verstanden.
							
							Das 
                            mag sein, aber man hat Sie in Berlin doch sehr geliebt 
                            und hat eigentlich später noch-
							
							-aber 
                            nicht die Presse und nicht der Senat und weiß ich 
                            was für Autoritäten. Die haben da irgendwo einen 
                            gesehen, der sich großmachen möchte, und das war 
                            gar nicht der Fall. Denn ich habe gekämpft wie ein 
                            Wahnsinniger, daß Furtwängler entnazifiziert wurde. 
                            Und das war mein Stolz, ihm zu sagen, Herr Doktor, 
                            hier dies ist Ihr Orchester. Nie habe ich die Absicht 
                            gehabt, mit ihm zu konkurrieren, nie im Leben. Wenn 
                            er ein anständigerer Mensch gewesen wäre, wäre heute 
                            noch die Situation da. Ich habe gesagt, Herr Doktor, 
                            was möchten Sie machen? Doch mir sagte er das eine, 
                            und dem Senat sagt er etwas ganz anderes. Und da 
                            kam es zu Reibereien, ihm war vieles nicht recht, 
                            was mit mir geschah, und er hat angefangen, schlecht 
                            über mich zu sprechen. 1952 habe ich mich entschlossen, 
                            doch das alles liegenzulassen und woanders zu sehen, 
                            wie ich weiterkomme. Dann ging ich nach London und 
                            Italien. Aber, Sie sagen, daß die Berliner mich 
                            geliebt haben, - das stimmt. Und Sie sind vielleicht 
                            nicht im Bilde. Ich bin kein Deutscher, aber ein 
                            Berliner. Und ich kämpfe miserablerweise auch heute 
                            noch um mein Visum. Ich muß für jeden neuen Besuch 
                            in Europa oder in einem anderen Staat vier Wochen 
                            vorher einen Antrag stellen, weil ich einen Berliner 
                            Paß habe., Und ich kämpfe weiter mit diesem Berliner 
                            Paß. Es ist doch ein Kinderspiel, Franzose in 24 
                            Stunden zu werden, Amerikaner in einer Stunde oder 
                            Deutscher. Nein - ich bleibe Berliner. Auch wenn 
                            das für mich so schwer ist, alle zwei Jahre bei 
                            den Berliner Behörden anzufragen, ob ich weiter 
                            einen Berliner Paß haben darf. Und ich bin glücklich, 
                            daß ich das darf. Und ich stehe Berlin sehr nahe. 
                            Ich liebe die Berliner.  Ich habe sie in der 
                            Not erlebt, und ich kann mir keinen besseren Menschenschlag 
                            vorstellen. Sie haben das letzte Stück Brot im Kriege 
                            mit mir geteilt. Das ist doch einmalig. Was war 
                            ich denn 1944. Ein dreckiger Rumäne, und doch, wo’s 
                            um Leben und Tod ginge, da haben sie mich geschätzt, 
                            ernährt und gewaschen. Ja, aber es gibt nicht nur 
                            solche Menschen in Berlin, es gibt auch andere. 
                            Es gibt auch neugewordene Berliner, die mir, als 
                            die Philharmonie eingeweiht wurde, eine gedruckte 
                            Einladung und eine Zahlkarte geschickt haben, um 
                            einen Platz für die Eröffnung der Philharmonie anzumelden. 
                             Das sind auch Berliner, sehen Sie., Aber von 
                            denen will ich nichts wissen. Und wenn ich heute 
                            nicht in Berlin dirigiere, so ist es einfach nur 
                            aus diesem Grund. Ich habe keine Zeit mehr, freie 
                            Konzerte zu dirigieren. Auch die Wiener Philharmoniker 
                            habe ich dirigiert. Ein mittelmäßiges Orchester, 
                            Ich kann mit ihnen nichts anfangen. Sie sind ein 
                            Mezzoforte. Sie verstehen gar nicht, was Struktur, 
                            was natürliche Ordnung der Instrumente, wie der 
                            Klang ist. Und dazu noch haben Sie auch kein Interesse. 
                            Denken Sie, es ist Orchester, wo in einer Mozart-Symphonie 
                            Sprünge legalisiert sind für alle Zeiten - bei Mozart! 
                            Denken Sie! Und so ein Orchester macht mit einem 
                            großen Dirigenten zwanzig Mozart-Symphonien, wobei 
                            der nicht ein einziges Mal den Mund geöffnet hat. 
                            Das ist Musik für sie heute, nicht für mich. Ich 
                            habe keine Zeit, mich mit einem Orchester so zu 
                            beschäftigen. Wo ich hinkomme, mache ich zwei Perioden 
                            im Jahr, ohne Generalmusikdirektor zu sein: drei 
                            Wochen im Herbst, drei Wochen im Frühjahr. So kann 
                            ich über die Entwicklung des Orchesters irgendwie 
                            Bescheid wissen und viel dazu tun. Auch einzelne 
                            Konzerte gebe ich nirgends.
							
							Sind 
                            Sie außer mit dem Südfunk-Orchester auch noch mit 
                            anderen Orchestern verbunden?
							
							Ja, 
                            hauptsächlich arbeite ich mit dem Orchestre National 
                            de l’ORTF in Paris und mit den Stuttgartern. Und 
                            ich muß sagen, in allen beiden Fällen ist eine derart 
                            gewaltige Entwicklung zu beobachten, das ist direkt 
                            beängstigend.
							
							Warum 
                            ist das beängstigend?
							
							Weil 
                            ich schon auf diese Indifferenz der Zeit, auf diese 
                            Mittelmäßigkeit und die Ignoranz auf jedem Gebiet 
                            eingestellt war. Wieso kann man noch so schön in 
                            Stuttgart musizieren? Da muß ich mein ganzes Credo 
                            noch mal revidieren. Also mit 62 Jahren ist das 
                            doch beängstigend.
							
							Liegt 
                            das nur am Orchester oder auch am Publikum?
							
							Nein, 
                            das Publikum hat dabei überhaupt nichts zu sagen, 
                            Es liegt an einem gesunden Menschenschlag, der sich, 
                            Gott weiß wie, noch erhalten hat. Es ist mir nicht 
                            sehr klar, warum. Die Begeisterungsfähigkeit, der 
                            Respekt, der Ton in der Arbeit. Und ich schenke 
                            denen doch nichts! Wir haben es glaube ich, in vier 
                            Städten gelesen, daß sie nie die 4. Symphonie von 
                            Brahms so gehört haben. Und ich muß es sagen, auch 
                            ich denke so - nicht, weil ich es dirigiert habe, 
                            sondern weil es vom Orchester so verwirklicht wurde.
